Die Persönlichkeit (sakhāyo)

 

Die fünf Gruppen des Anhaftens (upadānakkhandā)

 

 

„Die Persönlichkeit, die Persönlichkeit, heißt es, Ehrwürdige; was hat denn wohl der Erhabene gesagt, Ehrwürdige, was die Persönlichkeit sei?“ So fragt der Anhänger Visākho die weise Nonne Dhammadinnā, seine frühere Ehefrau.

 

„Die fünf Gruppen des Anhaftens sind die Persönlichkeit, hat der Erhabene gesagt, Bruder Visākho, nämlich

 

die Haftensgruppe der körperlichen Form,

die Haftensgruppe der Empfindung,

die Haftensgruppe der Wahrnehmung,

die Haftensgruppe der Gemütsregungen,

die Haftensgruppe des Erkennens [Bewusstseins].

 

Diese fünf Gruppen des Anhaftens, Bruder Visākho, sind die Persönlichkeit, hat der Erhabene gesagt.“ (Majjh. 44)

 

„Das Wort, das wir mit Persönlichkeit übersetzen, heißt sakkāyo. Dasselbe setzt sich zusammen aus sat-kāyo. Dabei bedeutet kāyo, wie uns die am Eingang dieses Kapitels angeführte Definition besagt, den Inbegriff der fünf Gruppen: körperliche Form, Empfindung, Wahrnehmung, Gemütsregungen, Erkennen, während sat = seiend ist. Mit sakkāyo will also der Inbegriff der fünf Gruppen als das wirklich Seiendeso von uns – bezeichnet, das heißt zum Ausdruck gebracht werden, daß wir in diesen fünf Gruppen bestanden seien.

 

Genau den gleichen Inhalt hat aber unser Begriff der Persönlichkeit. Mit ihm wird nämlich ein für sich bestehendes Wesen gedacht, das in den Merkmalen – eben den fünf Gruppen – in denen es erscheint, sich erschöpft. Sakkāyo und Persönlichkeit sind also in der Tat gleichwertige Begriffe.“

 

Für das Verständnis der Buddha-Lehre ist von großer Bedeutung, sich über diese „Fünf Gruppen des Anhaftens“ Klarheit zu verschaffen! Letztendlich geht es darum, den Bereich des anattā – des NICHT-ICH von dem des atta – ICH , zu trennen oder zu unterscheiden. Dies geschieht im Hauptwerk von GEORG GRIMM, Die Lehre des Buddho, mit aller Deutlichkeit.

 

Warum werden die Gruppen des Anhaftens Gruppen genannt?

 

In Sam. 22, 82,8 ist folgendes ausgeführt:

„Was es irgend an Körperlichkeit gibt, o Mönch, vergangen, künftig oder gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe – dieses wird die Gruppe 'Körperlichkeit' genannt. Was es irgend an Gefühl – Wahrnehmung – Gestaltungen – Bewusstsein gibt, vergangen, künftig, gegenwärtig, eigen oder fremd, grob oder fein, gewöhnlich oder edel, fern oder nahe – diese werden die Gruppen 'Gefühl', 'Wahrnehmung', 'Gestaltungen' und 'Bewusstsein' genannt. – Insofern, o Mönch, kommt den Gruppen die Bezeichnung 'Gruppen' zu.“

 

Nach dem Buddho geht unser Wesen nicht in unserer Persönlichkeit auf, wir haften vielmehr bloß an ihr, hängen uns bloß an sie an, allerdings so innig, daß wir wähnen, wir seien in ihr bestanden, „gleichwie wenn ein Mann mit harzbeschmierten Händen einen Zweig ergriffe.“ Nichts anderes als der Ausdruck davon ist es deshalb, wenn er die fünf Gruppen, die unsere Persönlichkeit ergeben, Gruppen des Anhaftens (upadānakkhandhā) nennt.

 

Beim Körper werden die vier Hauptelemente – das Erdige, Wässrige, Feurige, Luftige – bemerkt. „Dieser so beschaffene Körper zeigt sich behaftet mit den ebenfalls aus den vier Hauptelementen bestehenden Sinnesorganen. Damit, das heißt also in dem »Körper behaftet mit den sechs Sinnesorganen«, hätten wir das, was man ge­meinhin und was auch der Buddho selbst als den Körper oder genauer die körperliche Form (rupam) bezeichnet.“ 

 

„Dieselbe besteht also ausschließlich aus den vier Haupt-elementen. Die sie aufbauenden Stoffe sind durchaus identisch mit den anorganischen Stoffen der äußeren Welt, sind ja direkt aus denselben genommen und kehren später auch wieder in ihre Gemeinschaft zurück. Sie werden nur, wenn sie dem Körper einverleibt werden, in die diesem eigentümliche Form gebracht, wie ja auch die Materialien, aus denen ein Haus errichtet wird, in die einem solchen entspre­chende Form verarbeitet werden müssen.“

 

„So offensichtlich diese Tatsache ist und so unbedingt sie auch rein begriffs­mäßig zugegeben zu werden pflegt, so kommt sie doch den wenigsten Men­schen wirklich je vollkommen deutlich zum Bewußtsein – nebenbei bemerkt, ein klarer Beweis, wie überaus seicht die »normale« Anschauung ist. Man muß aber diese Tatsache durch längere Betrachtung in ihrer ganzen Evidenz durch­schauen, wenn man das Wesen der Persönlichkeit völlig begreifen will.“

 

(G.Grimm, Die Lehre des Buddho, S.36 ff.)

 

 

Wie es letztlich zur Fähigmachung des Körpers kommt, damit Empfindung, Wahrnehmung, Bewusstwerden möglich wird, kann hier nicht weiter ausgeführt werden. Es wird das Studium des Hauptwerks angeraten.

 

 

„Wenn er Entstehen und Vergehen

der Gruppendeutlich hat geseh’n,

erlangt er Glück und Seligkeit

als Seher des Unsterblichen.“         

  (Dha. 5, 374)