Die Freundschaft mit Gleichgesinnten auf dem Pfad

 

Nachdem der Buddha seine Lehrtätigkeit aufgenommen hatte, wuchs seine Anhängerschar rasch an. Seine erste Lehrdarlegung gab er seinen fünf Begleitern, die in der Zeit seiner Schmerzensaskese in seiner Nähe geweilt hatten. Sie wurden seine ersten Mönche. Für die männlichen Anhänger des Buddha, die in die Hauslosigkeit gingen, wurde dann der Orden gegründet; etliche Jahre später auch für Frauen. Die Laienanhänger suchten dann die Mönche auf, die in ihrer Nähe waren, um von ihnen Lehrdarlegungen zu erhalten. Es waren unter den Laienanhängern auch sehr großzügige Spender, die den Mönchen und Nonnen Klöster und Parks zur Verfügung stellten.

 

Einen sehr hohen Stellenwert in der Buddhalehre hat die Freundschaft mit Gleichgesinnten. Ja, ‚der gute Freund auf den Pfade‘, belehrt der Buddha seinen Jünger Ananda, ist nicht der Halbe, sondern der ganze Pfad! (Sam. 45, 2; Lehrrede s. weiter unten)

 

Es gibt etliche schöne Beispiele im Kanon, die von religiöser Freundschaft berichten; eines soll hier erwähnt werden: Im Mahāvagga I, 23,1-5 (Seidenstücker, Pali-Buddhismus, 1923, S.160) wird von dem Freundespaar Sariputta und Moggallana berichtet. Sie waren beide Anhänger des Wanderasketen Sanjaya und hatten sich gegenseitig versprochen: „Wer zuerst das Todlose erreicht, soll es kundtun.“

Es begab sich in Rajagaha, wo Sariputta dem Buddhajünger Assaji begegnete, der auf Almosengang war. Schon die Erscheinung und das Benehmen Assajis beeindruckte Sariputta, so dass er sich entschloss, ihn anzusprechen. Das war zur damaligen Zeit nichts außergewöhnliches, dass sich Mönche verschiedener Richtungen austauschten und nach den Vorgehensweisen befragten, die bei den jeweiligen Meistern gelehrt wurden. Als sich die Gelegenheit bot, sprach Sariputta den Mönch Assaji an und fragte ihn nach seinem Lehrer und zu wessen Lehre er sich bekenne. Assaji antwortete Sariputta, dass er noch nicht so lange Zeit Schüler beim Buddha sei und nicht ausführlich über die Lehre Auskunft geben könne; in Kürze aber ihren Inhalt sagen wolle. Sariputta meinte, dass es ihm darauf hauptsächlich ankomme. Assaji sprach nun folgende denkwürdige Verse:

„Die Dinge, die aus einer Ursache entspringen:

Deren Ursache hat der Vollendete mitgeteilt,

Ebenfalls ihre Aufhebung.

Also lehrt der große Asket.“

Und als der Wanderasket Sariputta diese Worte hörte, ging ihm das reine, fleckenlose ‚Wahrheits-Auge‘ auf: „Was immer dem Entstehen unterworfen ist, das ist auch der Aufhebung unterworfen.“ Und der sprach: „Wenn dies allein die Lehre ist, dann hast du die Stätte erreicht, wo alles Leid verschwindet.“

Sariputta eilte nun nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, zum Buddha, sondern zu seinem Freund Moggallana. Zusammen machten sie sich auf den Weg zum Erhabenen.

Als der Buddha die beiden von fern herankommen sah, sprach er zu seinen Mönchen: „Die beiden Gefährten, die dort kommen, werden ein würdiges Jünger-Paar sein.“ Es folgte dann die Aufnahme in den Orden.

 

Die Frage, die sich uns stellt, kann folgende sein: Ist es in unser heutigen Zeit überhaupt möglich, einen solchen „Guten Freund“ zu finden? Es wird wohl so sein, dass, wenn bei mir das ernsthafte, religiöse Suchen einsetzt und ich mich zu einem guten Freund entwickele, dieser Freund sich auch früher oder später einfinden wird. Entscheidend ist die eigene ernsthafte Suche nach dem Todlosen!

 


Lehrrede in Sam. 45, 2: Die Hälfte

 

„Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei den Sakyern in einer Stadt der Sakyer namens Sakkara. Da nun begab sich der Ehrwürdige Anando zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, sprach nun der Ehrwürdige Anando zum Erhabenen also: ‚Die Hälfte des Brahma-Wandels, o Herr, ist dieses, nämlich Freundschaft mit Guten, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten‘.

Sage das nicht, Anando, sage das nicht, Anando: ist es ja doch der ganze Brahma-Wandel, nämlich Freundschaft mit Guten, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten. Von einem Mönch, Anando, der Freundschaft mit Guten hat, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten, ist zu erwarten, daß er den edlen achtfältigen Pfad entfalten und ausbilden wird. Wie aber, Anando, kann ein Mönch, der Freundschaft mit Guten hat, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten, den edlen achtfältigen Pfad entfalten und ausbilden?

Da entfaltet, Anando, ein Mönch rechte Erkenntnis, die auf Einsamkeit gestützt, auf Entreizung gestützt, auf Auflösung gestützt ist und in Loslassen übergeht. Er entfaltet rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechten Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Einigung, die auf Einsamkeit gestützt, auf Entreizung gestützt, auf Ausrodung gestützt sind und in Loslassen übergehen. So entfaltet, Anando, ein Mönch, der Freundschaft mit Guten hat, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten, den edlen achtfältigen Pfad und bildet ihn aus.

So ist das, Anando, in diesem Sinne zu verstehen, wie es eben der ganze Brahma-Wandel ist, wenn man Freundschaft mit Guten hat, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten. Denn zu mir Anando, als dem guten Freund gekommen, werden die der Geburt unterworfenen Wesen von der Geburt frei; werden die Alter und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung unterworfenen Wesen frei von Alter und Sterben, Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung. So ist das, Anando, in diesem Sinne zu verstehen, wie es eben der ganze Brahma-Wandel ist, wenn man Freundschaft mit Guten hat, Gemeinschaft mit Guten, Vertrautsein mit Guten‘.“

 


Siehe auch den Vortrag von Māyā Keller-Grimm:

Die Freundschaft im Saddhamma führt in die Tiefe

(zum Vortrag hier klicken)


Der Buddha erklärt, in Ang. 7, 35 und 36, welche sieben Eigenschaften ein guter Freund auf dem Pfad besiten sollte.

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