Sīlam - Sittenreinheit - Haltung

Sīlas sind keine selbständigen Gebote sondern Ausdrucksmittel und der Ausfluss der Güte und oberstes Moralgebot.

 

Die fünf Sīla

Ich beobachte das Gebot, mich fernzuhalten von der Zerstörung von Leben.

Ich beobachte das Gebot, mich fernzuhalten vom Nehmen nicht-gegebener Dinge.

Ich beobachte das Gebot, mich fernzuhalten von allen unerlaubten Lüsten.

Ich beobachte das Gebot, mich fernzuhalten von falscher Rede.

Ich beobachte das Gebot, mich fernzuhalten von berauschenden und betäubenden Getränken und Mitteln.



Die Sittenreinheit

In dem 125. Suttam der Mittleren Sammlung vergleicht sich der Buddho mit einem Elefantenlenker. Wie dieser mittels eines gezähmten Elefanten den wilden Elefanten aus dem Elefantenwalde in eine Lichtung hinauszieht – „bis dahin aber ist der wilde Elefant in die Lichtung gekommen“ – um ihm dann von dort aus „sein waldgewohntes Betragen, seine waldgewohnte Sehnsucht, seine waldgewohnte Widerspenstigkeit, Verstocktheit, Heftigkeit“ in methodisch fortschreitender Übung „auszutreiben“ und ihn so „in der Umgebung des Dorfes heimisch werden, Sitten annehmen zu lassen, wie sie bei Menschen üblich sind“, so bestimmt auch der Buddho den Menschen zunächst, aus der Häuslichkeit in die Heimlosigkeit hinauszuziehen, um ihm von dort aus seinen Durst nach der Welt allmählich völlig auszutreiben. Mit dem Gang in die Heimlosigkeit „ist der erlesene Jünger in die Lichtung gekommen“, …

„Da hat der Mönch Lebendiges umzubringen verworfen, Lebendiges umzubringen liegt ihm fern: ohne Stock, ohne Schwert, fühlsam, voll Teilnahme, hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid.

Nichtgegebenes zu nehmen hat er verworfen, vom Nehmen des Nichtgegebenen hält er sich fern: Gegebenes nimmt er, Gegebenes wartet er ab, nicht diebisch gesinnt, rein gewordenen Geistes.

Die Unkeuschheit hat er verworfen, keusch lebt er: fern zieht er hin, entraten der Paarung, dem gemeinen Gesetze.

Lüge hat er verworfen, von Lüge hält er sich fern: die Wahrheit spricht er, der Wahrheit ist er ergeben, standhaft, vertrauenswürdig, kein Heuchler und Schmeichler der Welt. Das Ausrichten hat er verworfen, vom Ausrichten hält er sich fern: was er hier gehört hat, erzählt er dort nicht wieder, um jene zu entzweien, und was er dort gehört hat, erzählt er hier nicht wieder, um diese zu entzweien; so einigt er Entzweite, festigt Verbundene, Eintracht macht ihn froh, Eintracht freut ihn, Eintracht beglückt ihn, Eintracht fördernde Worte spricht er. Rohe Worte hat er verworfen, von rohen Worten hält er sich fern: Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohltuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte spricht er. Wertloses Gerede hat er verworfen, von wertlosem Gerede hält er sich fern. Er redet nur zur rechten Zeit, nur, was wahr ist, was zum Heile dient; er spricht über die Hohe Lehre, die Ordensregeln; wo es angebracht ist, spricht er Worte, die Schätze in sich bergen, er schmückt mit Gleichnissen seine gemessene und inhaltsreiche Rede …“

 

Das Mittel zur peinlich genauen Einhaltung dieser Ordensvorschriften bildet, wie wir bereits wissen, die Pflege der rechten Konzentration: Die tiefe Betrachtung, der sich der Mönch an einem einsamen Orte, „einer Einöde, am Fuße eines Baumes, auf einem Berge, in einer Schlucht, einer Felsenhöhle, auf einem Friedhof, in ödem Waldgestrüpp, an einer Stelle unter freiem Himmel oder auf einem Strohhaufen“, „nach dem Mahle, wenn er vom Almosengang zurückgekehrt ist, mit gekreuzten Beinen dasitzend, den Körper gerade aufgerichtet bis zum Abend hingibt, liefert die wirksamen Motive zunächst zur Selbstbeherrschung in diesem Umfange, während die Pflege steter Besonnenheit im übrigen dafür sorgt, daß diese Motive jeden Augenblick gegenwärtig bleiben und so das Handeln zu bestimmen vermögen. Dabei betätigt sich diese stete Besonnenheit näher in der Form der

vier rechten Kämpfe:

„Da erweckt der Mönch den Willen, nicht aufgestiegene unheilsame Dinge nicht aufsteigen zu lassen, er strengt sich an, setzt seine Energie ein, spannt das Denken an, treibt es an; er erweckt den Willen, aufgestiegene unheilsame Dinge aufzugeben, er strengt sich an, setzt seine Energie ein, spannt das Denken an, treibt es an; er erweckt den Willen, nicht aufgestiegene heilsame Gedanken aufsteigen zu lassen, er strengt sich an, setzt seine Energie ein, spannt das Denken an, treibt es an; er erweckt den Willen, aufgestiegene heilsame Dinge zu erhalten, zur Fülle, zur Entwicklung, zur Vollendung zu bringen, er strengt sich an, setzt seine Energie ein, spannt das Denken an, treibt es an.“ (Majjh. 78)

Im Dīgh. 10, 1 erklärt Anando, einer der Mönche des Buddho, dem jungen Brahmanen Subha: „Drei Dinge hat der Erhabene empfohlen …: Das Hohe Silam, die Hohe Konzentration, die Hohe Weisheit.“

Dieses Hohe Silam bildet mithin die unerläßliche Grundlage für das weitere Fortschreiten auf dem Heilswege.

„Gleichwie da alles Leben auf der Erde fußet, so ist das Silam, das befreiende, der Grund und Boden zur Entfaltung alles Guten, der Ausgangspunkt der Lehre der Erwachten.“ (Die Fragen des Königs Milindo 2, 1. Kap.[1])



[1] Eine ausführliche Schilderung der Sittenreinheit, wie sie der Buddho vom buddhistischen Laienanhänger fordert, finden wir im Majjh. 41.



(G. Grimm, Die Lehre des Buddho, S. 329 ff.)



 

Gibt der Buddha eine Schilderung der Sīlas im einzelnen?

 

Ja. Es gibt viele Reden, die sich ausschließlich damit befassen (Vergl. unter anderen die Majjh. 41). Im besonderen werden die Sīlas häufig in Verbindung mit der Freigebigkeit angeführt. Sīlas und Freigebigkeit gehören in der Buddhalehre ebenso zusammen wie Flamme und Wärme. Es gibt kein gutes Sīla, keine gute Haltung, die sich nicht in Freigebigkeit zeigen würde. Je größer die Freigebigkeit um so lebendiger der Geist der Sīlas:

"Der Gaben verheißende gute Mensch, barmherzig gegen alle Geschöpfe, lässt freudig austeilen und spricht: 'Spendet! Spendet!' Wie eine Wolke donnernd und brüllend Regen gibt und herabströmend Höhen und Tiefen mit Wasser füllt, so auch ist hienieden ein solcher Mensch." (Itiv. 75)

 

An anderer Stelle findet sich folgende Schilderung der Sīlas:

~ "Ein lebendes Wesen soll er weder töten noch töten lassen, noch billigen, dass andere es töten, sich fernhaltend von Gewalt gegenüber allen Wesen, sei es Pflanze, Tier oder Mensch.

~ Ferner vermeide es der zur Erkenntnis gelangte Jünger, irgendwo irgend etwas zu nehmen, was ihm nicht gegeben wird, noch lasse er es nehmen, noch billige er, dass andere es nehmen; er vermeide irgend etwas zu nehmen, was ihm nicht gegeben wird.

~ Die Hingabe an unerlaubte Lüste vermeide der Verständige, wie eine mit glühenden Kohlen gefüllte Grube. Wenn er aber zu einem reinen Wandel nicht fähig ist, so vergehe er sich nicht gegen das Weib eines anderen.[1]

~ Sei es im Gerichtshof, sei es in der Versammlung, nie soll einer den anderen belügen noch belügen lassen, noch billigen, dass andere lügen; er vermeide jegliche Unwahrheit.

~ Und der Hausvater, der an dieser Lehre Gefallen gefunden, gebe sich nicht mit berauschenden Getränken (und betäubenden Mitteln) ab, lasse sie nicht einnehmen, noch billige er, dass andere sie einnehmen, erkennend, dass es zur Geistestrübung führt.

~ Denn im Rausche vollführen die Toren Unheilvolles und machen auch andere Leute besinnungslos. Diese Quelle des Unheils, diese Geistesverwirrung und Verblendung, die nur der Tor liebt, vermeide er." (Su. 394 ff.)

 

[1] Unter die Hingabe an unerlaubte Lüste zählen im besonderen der Verkehr mit Schutzbefohlenen, die unter der Obhut des Vaters, der Mutter oder anderer Personen stehen, der Verkehr mit Verheirateten und der Umgang mit Dirnen.

 

(M. Keller-Grimm, Im Lichte des Meisters, 1986, S. 136)



 


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