Die Zufluchtnahme zu den Drei Juwelen

 

Nur ein Buddho kann nach dem buddhistischen Kanon den Wesen das Höchste, den absolut angemessenen Zustand, und damit für alle Ewigkeit das vollkommene Glück in seinem Dhammo, dem „Wunderding“, offenbaren, auf daß man dann dieses Wunderding als Mitglied seines Sangho, seiner Jüngergemeinde verwirkliche. Deshalb werden diese drei Faktoren „die Drei Juwelen(tini lakkhanāṇi) genannt.

Dabei setzt der Buddho als weitere Bedingung voraus, daß man vor allem seine Zuflucht zu diesen Drei Juwelen nehme. Das geschieht seit des Buddho Zeiten dadurch, daß man in feierlicher Form in dreimaliger Wiederholung die Erklärung abgibt:

Ich nehme meine Zuflucht zum Buddho,

ich nehme meine Zuflucht zum Wunderding,

ich nehme meine Zuflucht zur Gemeinde.

 

Dementsprechend beginnt der Buddho die Schilderung seines Heilsweges regelmäßig mit der Aufzeigung des ersten Juwels:

„Es handelt sich da um den Fall, daß ein Vollendeter in der Welt erscheint, ein Heiliger, Vollkommen-Erwachter, kundig des rechten Wissens und des rechten Wandels, ein Pfadvollender, ein Kenner der Welt, ein Lehrer der Götter und Menschen, ein Erhabener. Der offenbart das Wesen dieser Welt wie auch der Welten der Götter und Brahmas und das Wesen der Kreaturen in diesen Welten, einschließlich der Asketen, der Brahmanen, der Götter und Menschen, nachdem er all das selber durchdrungen, mit eigenen Augen gesehen hat. Er verkündet das Wunderding, beglückend in seinem Anfang, beglückend in der Mitte, beglückend am Ende, voll Bedeutung und Sorgfalt in der äußeren Form, den durchaus lückenlosen, völlig reinen heiligen Wandel legt er dar …“ (Dīgh. 2)

Daß das zweite Juwel bezeichnende Wort „Dhammo“ ist im Vorstehenden mit „Wunderding“ wiedergegeben. Bisher wurde es allgemein mit „Lehre“, auch „Gesetz“ übersetzt. Diese Übersetzungen lassen aber die eigentliche, die Grundbedeutung des Begriffes völlig unberücksichtigt. Bei seiner Wichtigkeit erscheint es geboten, die hier gewählte Wiedergabe näher zu begründen.

Das Wort Dhammo in seinem weitesten Sinne ist im Kanon identisch mit unserem Worte „Ding“: Schlechthin alles Erkennbare ist ein dhammo, ganz ebenso wie bei uns ein Ding. Dieser allumfassende Inhalt des Wortes „Dhammo“ kommt schon dadurch zum Ausdruck, daß im Kanon als die möglichen Objekte des Denksinnes stets die dhammā, also die Dinge, angegeben werden. Es heißt stets: „das Denken und die Dinge (dhammā), …“.

In seiner engsten und erhabensten Bedeutung ist „Dhammo“ das Ding par excellence, das was unsere Philosophen „das Ding an sich“ nennen, beim Buddho also das Nibbānam.

Wir müssen dieses „Ding“ näher als solches kenntlich machen, etwa eben als „Ding an sich“ oder, mehr im Geiste des Buddho, als das „Wunderding“ … Übrigens wird dieses Ding [der Dhamma] an sich im Kanon auch häufig ausdrücklich als solches herausgehoben, indem es Saddhammo genannt wird, „das beste Ding“, was auch unser Wort Wunderding im Grunde besagt.

Da die ganze Lehre des Buddho nur in der Verkündigung dieses Wunderdinges und des Weges zu seiner Verwirklichung besteht, so begreift das Wort „Dhammo“, das Wunderding, auch – wohl zu merken! – die ganze Lehre des Buddho in sich, …

Die Ordnung der Dinge, in die wir uns hineingestellt sehen, ist durchaus unbefriedigend, ja sie ist uns bei ihren Grundgesetzen – Geburt, Krankheit, Alter, Tod – in tiefster Seele zuwider, und mithin durchaus unangemessen. Dabei ist sie eine irreparable. Schon deshalb ganz allein muß es, wenn wir nicht schon an sich unselige Wesen sein sollen, wogegen wieder unsere Ursehnsucht nach einer uns mehr entsprechenden Ordnung, ja nach einem uns absolut angemessenen Zustande spricht, auch Ordnungen der Dinge in diesem letzteren Sinne in der grenzenlosen Wirklichkeit geben.

In erster Linie war es dem Buddho um Nibbānam als dem absolut angemessenen Zustande zu tun. Dabei hat er den Weg so gestaltet, daß dieses Ziel noch hienieden, im gegenwärtigen Leben erreicht werden kann:

„Leiht Gehör, Mönche, die Unsterblichkeit ist gefunden. Ich führe ein, ich lege das Wunderding dar. Der Führung folgend, werdet ihr in gar kurzer Zeit dieses Ziel noch in diesem Dasein erringen.“ (Majjh. 26)

Deshalb also fordert der Buddho von dem, der den höchsten Gang gehen will, Aufgabe von Weib und Kind, Haus und Hof, Geld und Gut: „Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel, der freie Himmelsraum das heimlose Leben.“ (Dīgh. 2)

Das dritte Juwel – der Sangha. Wer ist ein erlesener Jünger?

[Der Heilige Wandel entspricht dem Achtfachen Pfad der Buddhalehre.] Das Ziel des heiligen Wandels ist die Vernichtung des Durstes (tanha) nach Welt und Leben. Dieser Durst äußert sich in seinen niederen Formen in einem in den Wesen hausenden, im Verlaufe ihres Samsāro großgezogenen Hanges in fünffacher Richtung [die ersten fünf von zehn Fesseln]. Es ist

1. der Hang zum Glauben an Persönlichkeit als unsere Essenz (sakkāya-diṭṭhi),

2. der zur krankhaften Sucht ausgeartete Hang, an dem vom Buddho in seiner Anattālehre enthüllten Tatbestand, nach welchem die Persönlichkeit eine bloße „Beilegung“ (upadhi) von uns ist, trotz aller Aufklärung, mag diese auch noch so zwingend sein, zu zweifeln,[1]

3. der Hang, sein Heil von einer, Gott genannten, überweltlichen Macht auf Grund religiöser Zeremonien und Gebräuche, insbesondere von Gebeten, zu erwarten,

4. der Hang nach den durch die Objekte der fünf Außensinne ausgelösten Freuden (kāmā),

5. der Hang zum Ärger über alles, was den Eigenwillen durchkreuzt.

Diese Äußerungsarten des Durstes in seinen niederen Formen nennt der Buddho „die fünf an das Niedere“, nämlich die Welten der Sinnenfreuden, „fesselnden Koppeln“ (orambhāgiāni saññojanāni). Die Vernichtung des Durstes hat daher vor allem durch die Vernichtung dieser fünf niederzerrenden Koppeln zu erfolgen, und zwar methodisch, stufenweise, in vier großen Etappen. Wer als Buddhajünger auf einer dieser vier Etappen wandelt, der ist ein „Hoher“, ein „Erlesener“ Jünger. Die Etappen sind die folgenden:

1. Der Sotāpanno, „der in den Strom“ – (der zu Nibbānam führt) – „eingetreten ist“. Ein solcher hat seine Persönlichkeit im Lichte des Anattā-Gedankens und des Paticcasamuppādo so tief durchschaut, daß er den Glauben an Persönlichkeit als unsere Essenz restlos verloren hat, mit der Folge, daß auch jegliche Sucht, an den vier Hohen Wahrheiten zu zweifeln, für immer in ihm erloschen ist.

Mit der Zerstörung der drei ersten der fünf niederzerrenden Koppeln und seiner vollkommenen Sittenreinheit hat der Sotāpanno bereits einen gewaltigen, ja er hat einen entscheidenden Sieg über den großen Feind, den „grausen Durst“ (Dh. 335) nach Welt und Leben erfochten.

Ein erlesener Jünger ist aber auch schon derjenige, der noch auf dem Wege zur Sotāpannaschaft wandert, noch nach der Frucht des Eintrittes in den Strom ringt, sei es, weil er sich von der Lehre des Buddho so „angezogen fühlt“, daß er von tiefem „Vertrauen zu ihr erfüllt ist“, sei es, daß er den Anattāgedanken „bereits mäßig begreift“. … Sein Vertrauen bzw. seine schon erworbene Einsicht muß aber so stark sein, daß „er unfähig geworden ist, eine Tat zu begehen, die ihn in eine Hölle oder in tierischen Schoß oder in das Gespensterreich führen könnte“. Ja, er ist auch „unfähig zu sterben, ehe er die Frucht der Sotāpannaschaft erreicht hat“, eine Versicherung, die durch die Erwägung verständlich wird, daß sein glühendes Verlangen oder, im Sinne des Buddho gesprochen, seine das Leben schaffende und erhaltende Schöpfertätigkeit (ayusankhāro) das Leben immer wieder neu anfacht, bis er sein Ziel erreicht hat.

2. Auf der zweiten Etappe des Aufstieges zu Nibbānam gilt es für den erlesenen Jünger, die vierte und fünfte niederzerrende Koppel, also die Begier nach den durch die fünf Außensinne vermittelten Freuden und den bei Durchkreuzung dieser Begier sich erhebenden Ärger, soweit zu schwächen, daß er nur noch einmal in die Lustwelten zurückzukehren braucht, indem er auch insoweit die Leidensfülle, ja Verwerflichkeit des Durstes einsehen lernt. Hat er diese „Frucht“ der zweiten Etappe erreicht, so ist er ein „Einmal-Wiederkehrender(sakadagāmi) geworden. Dieses Ziel umreißt der Buddho in den Worten:

„Da ist ein Mönch vollkommen in der Sittenreinheit, aber nur teilweise vollkommen in der Konzentration – (dem lehrgemäßen Denken) – nur teilweise vollkommen in der Weisheit. Nach Vernichtung der drei niederzerrenden Koppeln und nach Abschwächung von Begier, Ärger und Verblendung kehrt er nur noch einmal wieder. Nur noch einmal zur Welt zurückgekehrt, macht er dem Leiden ein Ende“ (Ang. 3, 87).

3. So wird der Boden für die dritte Etappe vorbereitet, deren Ziel ist, das noch vorhandene Verlangen nach Sinnenfreuden und damit auch den Ärger restlos zu vernichten und damit den Brahmazustand zu gewinnen. Wer das erreicht hat, der hat damit auch jede Wahlverwandtschaft mit den Welten sinnlicher Lust verloren, kehrt also auch nicht mehr in solche zurück: Er ist ein Nicht-Wiederkehrender (anāgāmī) geworden. Von ihm gelten die Worte:

„Da ist ein Mönch vollkommen in der Sittenreinheit, vollkommen in der Konzentration, aber nur teilweise vollkommen in der Weisheit. Nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Koppeln erscheint er in ungeschlechtlicher Welt wieder, um dort völlig zu erlöschen, nicht mehr zurückzukehren zu jener Welt“ (l. c.).

4. Der Nicht-Wiederkehrende mag schon hienieden sich auf den Weg der vierten Etappe machen, die Heiligkeit zu verwirklichen. Hat er sie als „die Frucht“ dieser letzten Etappe erreicht, dann treffen auf ihn die Worte zu:

„Da ist ein Mönch vollkommen in der Sittenreinheit, vollkommen in der Konzentration, vollkommen in der Weisheit. Und so erlangt er noch hienieden die Vernichtung der Einflüsse und damit die Lostrennung durch Weisheit, die Lostrennung des Geistes, und verharrt darin.“ „So gewinnt, Mönche, wer etappenweise vorgeht, eine Etappe, wer vollkommen handelt, die Vollendung“ (l. c.).

Nun bildet die Gesamtheit der erlesenen Jünger, wie wir bereits festgestellt haben, den Sangho, die Gemeinde als das dritte der Drei Juwelen, zu denen jeder Anhänger des Buddho seine Zuflucht nimmt. Damit ist also auch über dieses dritte Juwel völlige Klarheit geschaffen: Man nimmt seine Zuflucht nicht einfach zur Mönchsgemeinde, in der sich von jeher auch sehr viele nicht erlesene Jünger befanden, sondern zur Jüngergemeinde (sāvakasangho) des Erhabenen als der Gesamtheit der erlesenen Jünger, gleichviel ob diese Erlesenen Mönche oder Laien sind.

Daß dem wirklich so ist, stellt der Buddho selber für jeden Heilssucher, der auf seinen Spuren wandeln will, in der feierlichen Formel fest:

„Da hast du darauf hinzuarbeiten:

Das auf Erkenntnis gegründete Vertrauen zum Buddho wird mich erfüllen: Er, der Erhabene, ist der Heilige, der vollkommen Erwachte, kundig des rechten Wissens und des rechten Wandels, der Pfadvollender, der die Welten kennt, der Unvergleichliche, der den Menschen wie einen Stier bändigt, der Lehrer von Göttern und Menschen, der Erwachte, der Erhabene.

Das auf Erkenntnis gegründete Vertrauen zum Wunderding wird mich erfüllen: Wohl verkündet ist vom Erhabenen das Wunderding, klar sichtbar, jederzeit zugänglich, es heißt: ‚Komm und sieh‘, ist Führer, Verständige können es in sich selber feststellen.“

Das auf Erkenntnis gegründete Vertrauen zur Gemeinde (Sangho) wird mich erfüllen: In rechtem Wandel lebt die Jüngergemeinde des Erhabenen, in geradem Wandel lebt die Jüngergemeinde (sāvakasangho) des Erhabenen, nach der rechten Methode lebt die Jüngergemeinde des Erhabenen, in wahrem Wandel lebt die Jüngergemeinde des Erhabenen, nämlich die vier Paare von Menschen, die acht Arten von Menschen. Das ist die Jüngergemeinde des Erhabenen, würdig der Opfer, würdig der Spenden, würdig der Gaben, würdig, daß man die Hände in Ehrfurcht vor ihr erhebt, das unübertreffliche Saatfeld der Welt für glückbringende Wohltätigkeit.“




[1] Der Hang zum Glauben an Persönlichkeit ist so tief in die Wesen eingesenkt, daß sie gemeinhin gar nicht fähig sind, auch nur den Versuch zu einem gegenteiligen Denken zu machen, und auch von den wenigen, die dazu in der Lage sind, werden die meisten früher oder später die Beute der sie mehr und mehr überwältigenden pathologischen Zweifelssucht.

 

 

(G.Grimm, Die Lehre des Buddho, S. 317 ff.)