Alter und Tod –

Geburt als die nächsten Bedingungen des Leidens

Der Samsāro ist eine unübersehbare Kette sich aneinanderreihender einzelner Persönlichkeiten. Dabei besteht die Persönlichkeit, wie wir bereits wissen, in dem Ineinanderwirken der fünf Gruppen des Anhaftens derart, daß der körperliche Organismus – die erste Gruppe – die Unterlage der Persönlichkeit, die Sechssinnenmaschine darstellt, die vermittels der Tätigkeit der Sinnesorgane zunächst Bewußtsein auslöst und sodann in Verbindung mit diesem Empfindung, Wahrnehmung und Gemütsregungen erzeugt. Da nun weiterhin wie wir ebenfalls schon wissen, diese fünf Gruppen zugleich die sämtlichen Elemente und damit den Inbegriff alles Leidens bilden, …

Diese beiden Grundeigenschaften der Unterlage der Persönlichkeit, Alter und Tod, geben zugleich dem ganzen Persönlichkeitsprozeß selbst und damit dem ganzen Leben in allen seinen Einzelheiten und nach allen Richtungen hin das Gepräge der Vergänglichkeit und machen eben dadurch das Leben als solches leidvoll. Im Altern und Sterben kulminiert daher das Leiden, sie sind der prägnanteste Ausdruck desselben.

„Von was sind Alter und Tod abhängig?“ –

„In Abhängigkeit von der Geburt entsteht Alter und Tod.“ (Dīgh. 15)

„Somit, Anando: Was da geboren wird oder altert oder stirbt oder vergeht oder entsteht ... das ist der körperliche Organismus mitsamt dem Bewußtsein.“ (Dīgh. 15)

„Und was, Mönche, ist die Geburt? Der Wesen in dieser oder jener Lebensklasse Geburt, Geborenwerden, Keimung, Empfängnis, das Erscheinen der Gruppen, das Ergreifen der Sinnengebiete: Das nennt man, Mönche, Geburt.“ (Sam. I,c)

Der Buddho sah sich also hier vor das unerhörte Problem gestellt, jenes Geheimnis zu ergründen, zufolge dessen sich durch den Vorgang der Empfängnis in einem Mutterleibe immer wieder ein neuer sinnenbegabter Körper bildet mit der Folge, daß sich noch in jenem Bewußtsein auf ihn herabsenkt. Nur wenn die Lösung dieses Problems gelang, konnte überhaupt festgestellt werden, ob unter den Bedingungen dieses Vorganges – eben der Geburt in dem Sinne, wie der Buddho dieses Wort gebraucht – solche seien, die zu setzen oder zu unterlassen in unserer Macht steht. Der Buddho hat auch dieses Problem ergründet und dabei zugleich den Anteil aufgedeckt, den wir selbst an unserer jeweiligen Empfängnis haben, so daß jeder in der Lage ist, zu bestimmen, ob er wiedergeboren werden will oder nicht.

Eben diese Unmöglichmachung einer künftigen Neugeburt, verbunden mit dem unerschütterlichen Bewußtsein, daß dies gelungen sei, ist das Kriterium der eingetretenen Erlösung und … der von sich sagen kann: „Erschöpft hat sich die Wiedergeburt, gelebt ist das heilige Leben, getan ist, was zu tun war, ich habe nichts mehr mit dieser Ordnung der Dinge gemein (Sam. 35, 28) …

(G.Grimm, Die Lehre des Buddho, S. 160 ff.)